Als wir im Frühjahr 2009 nach einer regnerischen Nacht zu unserer Lieblingstour im Karwendel unterwegs waren, ahnten wir nicht was uns an diesem Tag begegnen würde.
Erste Sonnenstrahlen durchbrachen dünne Nebelschwaden und ließen Tautropfen auf der Wiese wie Diamanten funkeln. Vorbei an sich durch Wiesen schlängelnde Bäche, gesäumt von knorrigen alten Ahornbäumen und Arven nahmen wir unseren Weg auf und streiften alsbald durch steiles unwegsames Gelände.
Zu unserer Überraschung zog auf einmal ein bunt schillernder Stein alle Blicke auf sich. Dieser leuchtete und funkelte uns an, als ob ihn dort jemand verloren hätte. Sprachlos nahmen wir den Stein zur näheren Betrachtung in die Hand. Sein unglaubliches Farbspiel von rot nach orange-gelb und wechselnd übergehend ins grün-bläuliche zog uns in seinen Bann.
Bisher nahmen wir die Felsen und Berge unserer Voralpen nur als bizarr geformt und in verschiedensten Grautönen wahr. Niemand von uns hatte in diesem Augenblick mit dem Fund eines Edelsteins gerechnet. "Das glaubt uns kein Mensch – und was ist das eigentlich für ein Stein?" waren unsere ersten Worte.
Wir sahen uns alsbald weiter um, suchten den Boden nach ähnlichen Stücken ab und beschlossen unseren Fund zu Hause mit Hilfe eines Mineralienbuches zu bestimmen. Gesagt getan durchstöberten wir nicht nur einen Mineralienführer – Fehlanzeige.
Die nächste Möglichkeit unsere Funde bestimmen zu lassen bot sich erst im Herbst bei den Mineralientagen in München, der Stand dort, mit den Professoren aus Idar-Oberstein musste wohl die beste Adresse sein.
Als wir nach kurzem Anstehen an die Reihe kamen überreichten wir unseren "Schatz" gespannt dem Gegenüber. Wie sich später herausstellte handelte es sich hierbei um einen der berühmtesten Edelsteinschleifer Deutschlands. Er betrachtete die Steine und seine Mundwinkel zogen sich zu einem breiten Grinsen übers Gesicht.
Er schaute übers Mikroskop zu uns auf – seine Worte werden wir nie vergessen: "Der Tag ist gerettet – neues Material! Was habt Ihr denn da?" Wir schauten uns an und Claudia erwiderte: "Das hätten wir gerne von Ihnen erfahren?!" "Dieser Edelstein ist sehr schön, aber mir nicht bekannt fuhr er fort, "er muss sehr selten sein." So konnte auch er uns nicht weiter behilflich sein, wir waren wirklich von den Socken.
Es verging einige Zeit, in der wir begannen unsere Funde von Hand mit einer Schüssel Wasser und Schleifpapier zu bearbeiten. Stunde um Stunde, Tag um Tag in denen wir je feiner das Schleifbild wurde immer klarere Farben zu Gesicht bekamen.
Es zeigten sich Strahlen, wie organische Linien, die uns vermuten ließen, dass es sich vielleicht um Muschelstücke handeln könnte. Neben den farbig leuchtenden Fragmenten kamen kleine weiße oder schwarze Sterne zum Vorschein. Diese ließen sich später als Querschnitte von Seelilienstengeln identifizieren.
Auch Turmschnecken und andere Meerestiere erschienen in diesem Bild, als fügten sie sich zu einer einzigartigen Komposition der Natur.
Es entstand in uns ein Bild aus einer Zeit des damaligen Urmeeres – der Thetys. Wir wussten es immer noch nicht genau.
Ein guter Freund, welcher sich mit Mineralien auskennt riet uns zu einer "weiteren" Reise, um die Herkunft unserer Steine in Erfahrung bringen zu können: Das Naturhistorische Museum in Wien! Ohne lange zu zögern vereinbarten wir mit der Leitung der Mineralogischen Abteilung einen Termin und machten uns ein paar Tage später auf den Weg.
In der wunderschönen Stadt Wien angekommen führte man uns durch alt-ehrwürdiges Gemäuer zu einem Hinterzimmer mit Wänden voller Apothekerschränken mit ganz vielen Schubladen. Wir waren im Archiv des Naturhistorischen Museums in Wien gelandet! "Wo uns nur die Steine überall hinführen" sprudelte es aus Florian heraus. Aufgeregt staunend schweiften unsere Blicke durch den Raum. Wir erinnern uns noch an eine Vase, kunstvoll aus einem Bergkristall geschliffen und jede Menge andere Schätze.
Eine Frau betrat den Raum und begrüßte uns recht herzlich, die Leiterin der Mineralogischen Abteilung. Wir stellten uns vor und erzählten ihr unsere abenteuerliche Odyssee durch die Mineralienwelt durch den Fund aus dem Karwendel. In unserer Tasche befanden sich drei geschliffene und zwei Rohsteine. Sie nahm die Stücke in Augenschein und meinte "Herzlichen Glückwunsch! Sie haben einen der seltensten Edelsteine unserer Erde gefunden!" – "…was? Im Karwendel?" "Ja – es handelt sich um Ammolith. Der Ammolith ist weltweit eine Nadel im Heuhaufen. Ein original Zeitabdruck aus dem Trias, ca. 220 bis 240 mio Jahre vor unserer Zeit. In unserer Sammlung befinden sich solche Edelsteine aus einer Fundstelle in Kärnten – spätes 17. Jahrhundert. Damals wurden sie als Nebengestein im Kärtner Bleiberg entdeckt und zu Höchstpreisen ab Mine an Prominenz und Adel verkauft. Selbst ein Mineraloge der Kirche namens Pater Franz Xaver von Wulfen war nicht zuletzt wegen der Geschichten um Energie und Heilkraft der Edelsteine aufmerksam geworden und begehrte sie sehr. Leider war es ihm jedoch nicht vergönnt, in den Besitz eines solch kostbaren Stückes zu kommen. Er bezahlte 2/3 seines Jahresgehaltes für eine Zeichnung von den Fundstücken der Ammolithe. Das Österreichische Königshaus lies damals die Mine schließen und fluten, damit sich die Steine nicht weiter verbreiten. Während dieses Vortrages wandelten wir durch die Hintertür in einen der großen Sääle in welchem Mineralien aus der ganzen Welt aus gestellt sind. Zwei weitere folgten. Halbwegs zielstrebig folgten wir der Leiterin zu einer Vitrine. Da lagen sie – die historischen Ammolith-Fundstücke aus dem Kärtner Bleiberg. Hierunter eine mit Silber beschlagene Schatulle aus dem kostbaren Material, Goethe und Mozart sollten in Besitz einer solchen gewesen sein. Wir waren begeistert und überließen dem Museum zum Dank ein geschliffenes und ein ungeschliffenes Fundstück.
Wir erinnern uns heute noch sehr gerne an diesen besonderen Tag!
In Hinsicht auf den zukünftigen Umgang mit unseren kostbaren Fund waren unser Erlebnis und die Anmerkungen über Seltenheit – Wert und Geschichte ein Denkanstoß, äußerst behutsam mit dem Publizieren der Edelsteine umzugehen.
Wieder zu Hause setzten wir uns in unserer Freizeit an den Küchentisch, um unsere Ammolith-Edelsteine zu schleifen und uns darüber im Klaren zu werden, ob wir unsere Funde für uns behalten oder erst mal schauen ob wir noch mehr finden und wenn ja – wo? Denn im Naturpark Karwendel ist die Natur zum Glück besonders geschützt.
Wir beschlossen kurzerhand entlang der Isar das Bachbett und die Kiesbänke abzugehen und die Augen offen zu halten, denn was an Schotter aus dem Karwendel kommt, muss zwangsläufig in der Isar landen! (Ca. 150.000 Kubikmeter jährlich)
Wir wurden fündig. Gleichzeitig entdeckten wir bunte, gebänderte und getupfte zwischen den vielen einfach nur grauen Kieseln.